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5, setzen!

Aktualisiert: 3. Juni 2023

Es gibt ja kaum eine Sprache, die mehr Begrifflichkeiten für eine negative Beurteilung im Schulsystem aufweist, als die deutsche.


Glaube ich.


Ohne Anspruch auf Vollkommenheit.


Beziehungsweise die österreichische, denn im deutschen Deutsch gibt es das meines Wissens nicht, bzw. nicht so ausgeprägt.


Spannender Weise:

Genau gleich verhält es sich im Österreichischen für Begrifflichkeiten rund um die Auswahl der Beschreibung übermäßigen Alkoholkonsums. Detto in Sachen Liebe.

Aber bleiben wir mal beim Alkohol. Als Winzerstochter habe ich hier immerhin einen gewissen Vorsprung:


  • einen Rausch haben

  • an Fetzn hamzahn

  • a Schwipsserl hom

  • einen Schwips haben (Anmerkung der Redaktion: Schwips ist der große Bruder von Schwipserl, aber noch nicht so viel, wie ein Fetzn. Man beachte daher die Steigerungsformen und das angewandte Vokabular, um den Grad der alkoholischen Beeinträchtigung besser abwägen zu können)

  • ein Damenspitzerl haben (beim Damenspitzerl bleibt es tatsächlich immer beim „erl“, einen Damenspitz in der Form gibt es nicht, das wäre dann schon wieder ein Schwips)

  • zua sein (Steigerungsform: Bum zua sein. Anmerkung der Redaktion: Zack, prack, etc. geht hier nicht, es muss schon beim Bum bleiben, sonst kennt sich keiner aus)

  • ongstraht sein

  • eingspritzt sein (Achtung: gspritzt sein hingegen hat, man möchte es kaum glauben, nichts mit Alkohol am Hut, sondern ist oft eher eine genetisch bedingte oder angelernte Angelegenheit)

  • Fett wie ein Radierer (auch hier gilt weder das Lineal, noch der Buntstift – die mit Verlaub genau so fett sein könnten)

  • ongsoffn sein; Komparativ: voi ongsoffn sein

  • an Fliega hom

  • bumhackedicht sein

  • blau sein

  • im Ö sei

  • bsoffn sei

  • paniert sei vs. voi paniert sei


Bei der Anzahl an Begrifflichkeiten für ein- und denselben Zustand möchte man vermuten, dass sich ein ganzes Volk (mal größer, mal kleiner) über einige Jahrhunderte hinweg sehr intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt hat.


Intensiv auseinandergesetzt haben wir uns aber auch offenbar mit (der Möglichkeit) einer negativen schulischen Beurteilung, wie dieses Beispiel demonstrieren soll:

  • an Fünfer hom

  • an Fetzn hom (Achtung: Kleine, aber feine Unterscheidung: Diesen Fetzn hier hat man, den anderen „zieht man nach Hause“; ersteren Fetzn hier kann man zwar auch nach Hause bringen, aber nicht ziehen; siehe unten)

  • an Fetzn hambringa

  • duachvoin (das wäre dann der Superlativ; in diesem Fall hätte man nämlich schon mehrere Fetzn hambrocht, weswegen man das Jahr wiederholen müsste)

  • Nicht Genügend

  • obeissn

  • einflecken

  • an Fleck hom

Man spricht auch gerne davon, dass es sich „leida desmoi net ausgonga is“, oft begründet damit, dass man die Stoffmenge „net dablosn hod“.


Und offenbar, das ist jetzt eine reine Mutmaßung meinerseits, gibt es DANN in einer Sprache mehrere Bezeichnungen für ein- und denselben Begriff, wenn es uns in irgendeiner Form (emotional) besonders betrifft. Siehe in Sachen Liebe (machen), Berauschtheit, etc.


Auch der Tod beschäftigt uns sehr und damit gibt es auch eine Unmenge an österreichischen Bezeichnungen dafür, wie man das Diesseits (am besten) verlassen könnte.


Darüber haben allerdings schon viele andere Österreicher und Innen philosophiert, weshalb ich Schuster lieber bei meinen Leisten bleibe: Mit Fetzn kenn ich mich auch besser aus.


Ein sehr einprägsamer Fetzn war der in der Unterstufe Latein. Meine Nachbarin und ich - wir waren beide seit dem Kindergarten miteinander befreundet und sind auch viele Jahre gemeinsam in die Schule gegangen - hatten denselben Nachnamen (ohne miteinander verwandt zu sein).


Sowas gibt’s am Land.


Mein Mädchenname lautete „Diwald“, so wie der meiner Nachbarin. Und nein, vermutlich haben sich unsere Vorfahren nicht beim Artikel vertan, vielmehr dürfte es sich um den dialekten Begriff der Dürre handeln. Auch keine charmante Namensbezeichnung für eine Person, wie ich finde. Da hatte wohl einer mal keinen grünen Daumen. Aaaaber, uns Weinviertlern ist unser Charme durchaus bekannt, wir sind´s gewöhnt und können recht gut damit umgehen. Meistens.


Jedenfalls war es so, dass wir einen Lateinlehrer hatten, dessen Nachname (und das MUSS ich an dieser Stelle erwähnen) AUCH mit „wald“ geendet hat. Der vordere Teil des Namens hatte mit einer Farbe zu tun.

Ich sag nur so viel: Botanisch dürften seine Vorfahren erfolgreicher gewesen sein. Und: Es war nicht blau.


Anyway. Irgendwann, dritte oder vierte Klasse, hatten wir mal wieder eine dieser leidigen Latein Schularbeiten. Und es ist gekommen, wie es kommen musste – wir haben´s leider net dablosen. Beide nicht – sowohl meine Freundin, als auch ich. Worauf mein Latein-wald die Schularbeitsnoten vorgelesen hat (damals gabs sowas wie Datenschutz noch nicht, da wurde man noch vor der ganzen Klasse mit seinem Ergebnis konfrontiert) und dabei offenbar Zeit sparen wollte, jede Note einzeln vorzutragen. Insofern hat er das Thema abgekürzt mit den Worten: „Diwälder, 5!“


Es sollte in meiner bildungstechnischen Karriere nicht mein einziger Fetzn bleiben. Aber DEN hab ich mir gut gemerkt. Vor allem an der Uni habe ich in den ersten Semestern so viele abkassiert, dass sich das Ausdrucken meiner Zeugnisse ohne „Nicht Genügend“ (es gab da so Terminals an der Uni, da konnte man seine Zeugnisse jederzeit selbst ausdrucken und auswählen, ob man alle Noten oder nur die positiv bestandenen Fächer am Blatt sehen wollte) als papier-, aka regenwaldschonend herauskristallisiert hat. Ja, ich bin nicht nur eine Winzerstocher, sondern eine Biowinzerstochter der ersten Stunde und bei uns in der Familie wurde der Umweltschutz seit jeher großgeschrieben.


Jeder, der schon mal einen Fetzn hatte, kann sich vermutlich noch gut daran erinnern. Und die, die noch keinen hatten,…



…ach, was…



Und meine Beobachtung ist, dass, so wie immer, wenn es um Emotionen und Gefühle geht, jeder anders damit umgeht. Manche weinen und sind traurig oder sogar enttäuscht, manche sind so aufgeregt, dass ihnen übel wird, manche „freuen“ sich, weil sie jetzt auch endlich zu den Coolen gehören, anderer wiederum verheimlichen es, so lange es geht und schämen sich vielleicht. Und dann gibt es auch noch die, die ihre Schultern zucken und sich abschütteln, weil sie es (von sich selbst) eh nicht anders erwartet haben.


Wie auch immer die Kinder oder Jugendlichen reagieren, selbst, wenn sie den Anschein geben, dass es sie überhaupt nicht berührt, wurscht ist es mit Sicherheit keinem von ihnen.

„Nicht“ zu „genügen“ ist kein Zustand, den man absichtlich herbeiführen möchte. Nicht zu genügen beinhaltet Angst vor der Konsequenz, Angst vor dem Versagen, Scham, Machtlosigkeit, Enttäuschung, Traurigkeit, Wut und oft auch Verständnislosigkeit. Das sind alles Gefühle, die sich keiner von uns freiwillig herbeisehnt. Das sind alles Gefühle, von denen wir, wenn wir nur selbst daran denken, wissen, wie unangenehm und grauslich sie sind.


Keine Angst. Es folgt jetzt kein Sermon darüber, …


wobei....


wenn ich´s mir recht überleg:


Let´s Sermon! Whohoooo


Ich will euch halt auch nicht enttäuschen! Die, die mich kennen, kennen meine Sermöner.


Es ist halt gerade diese Zeit im Jahr, in der ich von vielen Eltern die Frage gestellt bekomme: „Und? Was mach ma jetzt (mit dem/den Fetzn)?“


Aufwischen zum Beispiel.


Dafür sind Fetzn sehr nützlich.


Bleiben wir gleich beim Fleck Fleck. Da gibt es tatsächlich viele Parallelen, wie ich finde.


Man könnte jetzt darüber sinnieren, wie es zu dem Fleck gekommen ist. An einem gewissen Punkt macht es natürlich Sinn, sich darüber Gedanken zu machen, welche Substanz dieser Fleck hat. Handelt es sich um eine eher ölige Substanz, eine zähe Substanz oder eine harte, vielleicht bröselige Substanz? Und: Welchen Aggregatzustand hat der Fleck in der Zwischenzeit eingenommen?


Sobald man sich aber ein grobes Bild über die Lage gemacht hat, sollte man Übergehen zu der Wahl des adäquaten Reinigungsmittels.


Wenn also meine Katze – so wie heute – wieder mal auf den Boden im Wohnzimmer gekotzt hat – möchte ich persönlich nicht so viel Zeit damit verbringen, mich mit der Konsistenz und Zusammenstellung des Korpus Delikti zu beschäftigen. Nein, vielmehr stelle ich fest: „Ahhh, Katze hat wieder mal HERINNEN gekotzt“, bedanke mich an der Stelle recht freundlich bei ihr (es hätte ja auch der Teppich werden können) und mach mich an die Arbeit.


Was will ich euch damit sagen?


Halten wir uns nicht so lange damit auf, zu beleuchten, wie der Fleck entstanden ist, sondern verwenden wir die Zeit doch viel lieber damit, herauszufinden, wie man ihn wieder wegkriegt und fangen an, zu wischen.


Ein Fleck sagt uns vielleicht sogar auch mehr, als wir auf den ersten Blick wahrnehmen können. Vielleicht wars nur das Gras, das wieder hochgekommen ist, und das Katzen brauchen, um ihr verschlucktes Fell wieder los zu werden.

Vielleicht taugt ihr das Futter nicht oder sie verträgt es nicht, vielleicht geht es ihr aber im Moment auch nicht gut und es wäre ganz wichtig, noch besser hinzuschauen.


Ja, zugegeben, Katzenkotze ist jetzt nicht die charmanteste Analogie zu einem Fetzn, aber he, ich bin Weinviertlerin. Mir sei es verziehn.


Was könnte man sonst noch tun?


Vielleicht gelingt es euch, ein bissal reinzuversetzen, wie´s eurem Kind gerade geht. Auch – und vor allem dann, wenn „eh klar war“, dass es sich nicht ausgehen wird und auch, wenn man seine Bedenken bezüglich des investierten Zeitaufwandes mehrfach deutlichst geäußert hat. 
Versucht gemeinsam ins Tun zu kommen und Pläne zu schmieden, wie man es ab jetzt angehen möchte. Mit der Pläneschmiedere verblasst die Machtlosigkeit und man kommt wieder in die Aktivität. 
Unterhaltet euch gemeinsam über adäquate Putz- und Reinigungsmittel. Hat man alles, was man braucht zu Hause, oder muss man noch was besorgen? Wenn ja, wo kriegt man´s her?
Gönnt eurem Kind auch bitte unbedingt mal eine Pause. Pausen sind sooooo wichtig! Jeder braucht mal Urlaub vom Arbeiten und Denken. Unsere Kinder genauso, wie wir Erwachsenen. 
Sucht euch gegebenenfalls Hilfe. Braucht man vielleicht Tipps, weil man mit dieser Art Fleck bisher noch nie konfrontiert wurde und gibt es jemanden in der näheren Umgebung, der sich damit vielleicht auskennt? Eine Putzerei vielleicht? 

Manche Flecken sind tatsächlich sehr hartnäckig und gehen nur mit kräftigem Schrubben weg. Und manchmal, da hilft tatsächlich nur noch die Fleckenschere. Aber manchmal ist es auch so, dass man sich gar nicht lange Gedanken darüber machen muss. Manche sind tatsächlich fluchs – wieder weggewischt.



Zwei schöne Geschichten noch zum Thema „Einflecken“:


Zum ersten geht es um eine wundervolle Mama, die sich sehr viele Gedanken gemacht hat und in einem Gespräch zu mir gemeint hat: „Weißt du, vielleicht braucht mein Kind tatsächlich noch ein Jahr zum Reifen. Vielleicht tut es ihm gut, noch ein Jahr hinzuzufügen, damit es die Zeit hat, die es braucht um dann die Entscheidungen treffen zu können, die zu treffen sind.“


Und zum anderen geht es um eine Lehrerin – zugegeben, meiner Lieblingslehrerin – weil sie so eine außergewöhnliche, herausragende Person war/ist. In einer Situation hatte ich ein Nicht Genügend in einem Fach, in dem ich eigentlich immer recht gut war. Und sie hat mir meine Schularbeit zurückgegeben und gesagt: „Barbara, ich kenn dich. Das bist nicht du. Vielleicht hattest du einfach nur einen schlechten Tag.“

Selbe Lehrerin, andere Situation: Ich habe damals in einer Jahresprüfung einen guten Schulfreund von mir abschreiben lassen. Es ging bei ihm tatsächlich um die berühmte Wurst. Sie hat es ganz sicher mitbekommen. So diffizil haben wir das gar nicht hingekriegt 😊. Jedenfalls habe ich sie 20 Jahre später auf die Situation angesprochen. Und sie meinte daraufhin: „Weißt du, ich kann mich an die Situation tatsächlich nicht mehr erinnern. Aber ich weiß, dass Klassengemeinschaft und Zusammenhalt und Freundschaft viel wichtiger sind, als eine Note auf eine Prüfung.“


Manchmal ist ein Fünfer wirklich Kacke. Manchmal sagt er nichts über die Leistung und viel über das eigene Befinden aus. Manchmal ist er essentiell, um Entscheidungen zu treffen, manchmal, um darüber nachzudenken, was wirklich wichtig ist im Leben.

Manchmal braucht es viel harte Knochenarbeit, und manchmal nur einen kleinen Schubser. Was es jedenfalls braucht, ist Ruhe und Aufmerksamkeit und eine Oma, wie die meine, die immer gemeint hat: „Was passiert ist, ist wurscht. Schauen wir uns lieber an, was wir jetzt tun können.“


Oder - um es in den sehr tiefgründigen Worten eines Freundes zu sagen: "Vielleicht fangen wir einmal damit an, uns nicht anzusch..."


MIR haben sie jedenfalls schon oft geholfen.


Resumée?

1) Haken drunter

2) Pläne schmieden (gemeinsam!)

3) Mit einer Pause anfangen

4) Arbeit schrittweise wieder aufnehmen


Und wenn ihr mal wen zum Reden braucht oder Unterstützung sucht, meine Kontaktdaten findet ihr bestimmt. 😉


In diesem Sinne wünsche ich euch einen schönen Start in den Sommer.


Alles Liebe,

eure Barbara











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